Mit Bauch, Herz und Kopf
Um unser Persönlichkeitsmuster, unseren „Typ“, leichter einzuordnen, können wir uns eine Grobstruktur des Enneagramms zunutze machen. Dabei gehen wir von den drei Grundkomponenten der menschlichen Psyche aus, nämlich Instinkt, Fühlen und Denken. Die sogenannten Bauch-, Kopf- und Gefühlsmenschen gibt es tatsächlich!
Drei Gruppen, drei unterschiedliche Grundbedürfnisse
Erinnern wir uns: Das Enneagramm beschreibt neun Persönlichkeitsmuster, die wir als „Typen“ bezeichnen. Diese lassen sich jedoch wiederum in drei Gruppen von jeweils drei Typen unterteilen. Jede dieser Gruppen wird durch die Dominanz einer der drei psychischen Grundkomponenten bestimmt: Instinkt, Fühlen oder Denken. Zwecks leichterer Veranschaulichung ordnen wir diese den Körperregionen Bauch, Herz und Kopf zu.
Wenn wir uns in einem ressourcenreichen Zustand befinden, so zeigt sich, dass wir unsere Möglichkeiten, Handeln, Fühlen und Denken in Einklang zu bringen, gut ausschöpfen können. Drama – also Konflikte, Streit, Scheitern, Leiden – wird im täglichen Leben in der Regel durch ein Zuviel oder Zuwenig erzeugt.
Jede der drei Grundkomponenten korrespondiert mit einem von drei zentralen Grundbedürfnissen des Menschen, nämlich jene nach Autonomie, Anerkennung und Sicherheit. Diese grundlegenden Bedürfnisse sind in uns allen angelegt, doch hat bei jedem von uns eines die Oberhand. Das heißt, bei den „Bauchtypen“ ist das Bedürfnis nach Unabhängigkeit von anderen Menschen oder einschränkenden Gegebenheiten vorrangig, bei den „Herztypen“ jenes nach Anerkennung und sozialer Einbindung, bei den „Kopftypen“ das nach Kompetenz, Sicherheit und Orientierung.
Wir alle kennen Situationen, in denen wir sehr impulsiv agieren, uns das Hirn zermartern oder in unseren Gefühlen stecken bleiben – hier zeigt sich, dass die Balance zwischen den drei Grundkomponenten aus den Fugen geraten ist und eine davon stark dominiert. Aktuelle neurowissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass Intelligenz größtenteils von der Fähigkeit abhängt, diese drei „Zentren“, die mit jeweils unterschiedlichen Gehirnressourcen verknüpft sind, miteinander zu vernetzen!
Um einem Gleichgewicht nahe zu kommen, müssen wir zunächst unser dominierendes Zentrum als solches identifizieren. Natürlich könnte man uns heutzutage in einen Scanner stecken und durch gezielte Fragen und unsere Reaktionen darauf herausfinden, welches Zentrum zuerst „anspringt“ und wie der neuronale Pfad zu unserem zweiten Zentrum verläuft. Dann könnte man auch sehen, dass unser drittes Zentrum meistens „schläft“, also ziemlich unterbeschäftigt ist. Wir können aber auch durch Achtsamkeit und gezielte Wahrnehmung herausfinden, was unser psychisches Betriebssystem in erster Linie prägt.
Wenn das Instinktzentrum dominiert
Bei den Typen Acht, Neun und Eins ist das beherrschende Thema die Aufrechterhaltung ihres Selbstgefühls – es geht in erster Linie um Autonomie und Selbstbestimmung.
Angehörige dieser Gruppe sind den Regungen des Stammhirns und der untersten Schicht des limbischen Systems, den ältesten Teilen unseres Gehirns, besonders verbunden. Diese dienen der Lebenserhaltung und regulieren auch unsere Kampf-oder-Flucht-Mechanismen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es für „Bauchtypen“ von essentieller Bedeutung ist, ihren Platz zu verteidigen. Das fällt ihnen deshalb so leicht, weil sie ihr vermeintliches Wissen darüber, was richtig und falsch, gut oder schlecht ist, aus ihrem starken Bauchgefühl beziehen – jenen instinktiven Impulsen, die uns helfen, unser „Revier zu behaupten“.
„Bauchtypen“ folgen meist ihren Impulsen, bevor sie die Sinnhaftigkeit ihrer Aktion oder Reaktion bedenken oder die Gefühle der anderen in Betracht ziehen. Sie betrachten die Welt hauptsächlich durch den Filter ihrer körperlichen Wahrnehmung und sie tun gewöhnlich alles, was nötig ist, um ihr psychisches Wohlbefinden zu gewährleisten. Wenn es ihnen schlecht geht, geben sie sich meist selbst die Schuld. Ist ihre Autonomie in Gefahr, reagieren sie mit Zorn oder, in Abwandlung davon, mit Verärgerung, Groll oder Ungeduld.
Wenn das Gefühlszentrum dominiert
Bei den Typen Zwei, Drei und Vier sind Anerkennung, soziale Einbindung und emotionale Versorgung von zentraler Bedeutung.
Menschen dieser Gruppe werden hauptsächlich von jenen emotionalen Qualitäten angeleitet, die Beziehungen zu anderen stiften. Sie sehen die Welt hauptsächlich durch den Filter ihrer emotionalen Intelligenz. Der Teil des Gehirns, der hier in erster Linie zum Tragen kommt, ist das limbische System – jene Gehirnregion, in der die wesentlichen Gefühle entstehen.
Der Fokus ihrer Aufmerksamkeit liegt häufig außerhalb der eigenen Person und ist viel mit der Frage beschäftigt: Wie geht es mir mit den anderen? Werde ich gemocht? „Gefühlstypen“ wollen Aufmerksamkeit schenken oder empfangen und wahrgenommen werden. Sie können sich gut auf Stimmungen und Gefühle anderer einstellen. Häufig vergleichen sie sich mit anderen und beziehen ihren Selbstwert aus dem Feedback, das sie bekommen. Wenn ihre Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und Anerkennung nicht erfüllt werden, leiden sie. Ihre Reaktion ist dann Verzweiflung, Panik, oder in Abwandlung, Traurigkeit, Sehnsucht oder Scham.
Wenn das Kopf- oder Denkzentrum dominiert
Bei den Typen Fünf, Sechs und Sieben sind die beherrschenden Themen Sicherheit, Kompetenz und das Gefühl, auf die jeweils als wichtig erachteten Umstände einwirken zu können.
Im Fokus der „Kopftypen“ ist die Analyse – die Welt wird von ihnen in erster Linie durch einen mentalen Filter wahrgenommen. Das Entwickeln von sachlichen Konzepten steht im Vordergrund. Ziel ist es, Sicherheit durch die mentalen Prozesse von Vorausschau, Vorstellung, Planung und Überdenken zu erlangen, um dadurch potentiell schmerzhafte oder gefährliche Situationen unter Kontrolle zu bekommen.
Kopftypen versuchen eine Situation zu durchschauen, indem sie sich zunächst einmal von ihr distanzieren. Sie handeln nicht, bevor sie gründlich nachgedacht haben. Erst später geben sie den eigenen Gefühlen und Instinkten Raum.
Sind Sicherheit, Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit nicht gewährleistet, reagieren Kopftypen häufig mit Angst, Furcht oder zumindest mit Vorsicht, Misstrauen, Zweifel und Besorgtheit.
Sind Kopftypen demnach intelligenter?
Nein, denn es ist nicht so, dass ein Mensch, der zur Gruppe der Gefühlstypen gehört, mehr Gefühle hat als die anderen, oder dass ein „Kopftyp“ automatisch intelligenter ist. Unser dominierendes Zentrum offenbart vielmehr jenen Bereich, der im Vergleich zu den beiden anderen überstrapaziert wird und uns daher immer wieder wie mit Autopilot reagieren lässt. Wir müssen uns daher bewusst um das rechte Maß bemühen, und zwar immer wieder aufs Neue!