Instinkte färben unseren Typus

Instinkte färben unseren Typus

Menschen ein und desselben Enneagramm-Typs können sich in ihrem Verhalten stark voneinander unterscheiden. Individuelle Entwicklungsstufen sind nur zum Teil der Grund dafür. Auch unser instinktgesteuertes Verhalten gibt unserem Typenmuster eine ganz bestimmte Färbung.


Die moderne Kognitionswisssenschaft erklärt uns, dass unsere Handlungen und Reaktionen zum großen Teil von unbewussten, evolutionären Zielen gesteuert werden und dass unsere Instinkte weiterhin nach diesen alten Mustern arbeiten, nur eben in neuem Gewand. Diese Erkenntnisse decken sich mit den Erfahrungen des Enneagramms.

Ein Typus in drei Variationen

Oft wundern wir uns über die unterschiedlichen Ausprägungen ein und desselben Typs. Diese sind nicht nur durch die individuellen Entwicklungsstufen zu erklären. Ein wesentliches Kriterium für die Unterschiedlichkeit innerhalb des Typs lässt sich mit den „Instinktvarianten“ erklären: sie ergeben sich aus jenen Aspekten des Lebens, mit denen sich eine Person am intensivsten beschäftigt – über weite Strecken unbewusst, angetrieben von Instinktenergie. Darunter verstehen wir jene Mischung von Instinkten, welche die Erhaltung unserer Art bis jetzt gesichert haben und uns veranlassten,

  • unser Leben zu erhalten,
  • unser Erbgut weiterzugeben und
  • Verbindungen mit anderen zu schaffen.

Wir sind alle nach wie vor von diesen Antrieben gesteuert, aber wir setzen individuell unterschiedliche Prioritäten. Im Idealfall reagieren wir je nach Anlass und Notwendigkeit situationsbezogen, natürlich und spontan auf die auftauchenden inneren Bedürfnisse – so wie die Zugvögel, die auch nicht zweifeln oder debattieren, ob sie gleich oder vielleicht doch etwas später losziehen sollen. Es ist die Intelligenz des Körpers, die diese Entscheidung trifft. Der Weg in unsere Zivilisation hat diese Instinkte beim Menschen allerdings aus dem natürlichen Gleichgewicht gebracht.

Ein Instinktprogramm dominiert

Eines dieser drei Instinktprogramme hat bei jedem von uns die Oberhand gewonnen und steuert unser Leben oft auf recht einseitige Weise, ein zweites ist nach wie vor wirksam, tritt aber kaum in den Vordergrund, das dritte hingegen ist bei vielen ganz in den Hintergrund getreten. Das lässt uns einzelne Bereiche des Lebens massiv in den Fokus rücken und andere ziemlich vernachlässigen. Gleichzeitig liegt hier auch eine plausible Erklärung dafür, warum Menschen, die zu ein und demselben Enneagramm-Typ gehören, in sehr unterschiedlichen Variationen erscheinen.

Bei jedem von uns gilt einem dieser Instinktbereiche unsere größte Sorge, und für ihn investieren wir die meiste Energie. Wie ein Pop-up-Fenster auf dem Computer öffnet sich dieser Bereich oft bei dem geringsten Impuls, mischt sich in sämtliche Belange des Lebens und formt die spezielle Ausprägung des Typs – den Subtyp. Die unbewusste Gewichtung jener Bereiche, für die sich unser instinktgeformter Antrieb leicht aktivieren lässt, ergibt neun mal drei, also 27 Subtypen.

Das klingt nach einem sehr komplexen Modell – und das ist es auch, sobald wir uns auf die Details einlassen. Das müssen wir aber nicht unbedingt, um damit sinnvoll zu arbeiten. Eine Idee davon, welche Aspekte des Lebens uns am meisten beschäftigen, Achtsamkeit dafür, wie sich das in unserem Körper bemerkbar macht, und eine Ahnung davon, welchen Instinktbereich wir konsequent vernachlässigen, hilft uns schon, mehr Gleichgewicht in unser Leben zu bringen.

Verschaffen wir uns einen kurzen Überblick über die drei Grundinstinkte

Selbsterhaltungsinstinkt (Energie der Lebenserhaltung)

Selbsterhaltung ist ein Sammelbegriff für die Antriebe zu jenen Verhaltensweisen, die für die Erhaltung des Lebens sorgen. Der Instinkt ist auf den Mechanismus des persönlichen Überlebens gerichtet. Dazu gehören das Stillen von elementaren Bedürfnissen (Nahrung, Temperatur, Kleidung, Dach über dem Kopf …) sowie das Vermeiden von Schmerz und körperlichem Schaden. Darüber hinaus aber auch so neuzeitliche Bedürfnisse wie Komfort, Versicherungen, Gesundheit, Heim, Geld und andere Ressourcen.
Diese Art von Antrieb erzeugt eine Energie, die relativ stabil, linear, auf ein Ziel gerichtet ist. Sie ist sehr hilfreich, wenn es darum geht, Ressourcen gut einzuteilen, möglichen Gefahren und Leiden vorzubeugen und langfristige Ziele anzusteuern.

Was zeichnet Menschen mit diesem Fokus aus? Sie sind praktisch, erdverbunden und gehen sorgsam mit Ressourcen um; sie haben eine ausgeprägte Arbeitshaltung und die Fähigkeit, sich auf Details zu konzentrieren; sie sind nicht übermäßig an Außenbeziehungen interessiert und das Schaffen von materieller Unabhängigkeit ist ihnen sehr wichtig.

Sexualinstinkt (Energie der Anziehung)

Im Sexualinstinkt manifestiert sich der Drang der Natur zur Entfaltung des Lebens. Er ist Triebkraft und stärkste kreative Kraft der Evolution. Diese Energie ist nicht allein mit den Trieben der Sexualität verknüpft, sondern äußert sich auch in anderen Lebensbereichen und bezeichnet jene Lebenskraft, die als vitale Energie zwischen zwei Polen fließt.

Diese Energie ist gebündelt und in „Lauerstellung“, um sich bei gegebenem Anlass, nämlich dort, wo wir für etwas brennen, explosionsartig zu entladen. Sie lässt uns impulsiv, verwegen, bisweilen aggressiv unser Ziel verfolgen und jenen Punkt ansteuern, an dem es ‚knistert‘, ohne mögliche unangenehme Konsequenzen in Betracht zu ziehen. Sie stimuliert und lässt uns Neues suchen, entdecken und ausprobieren. Es ist dieselbe Energie, die wir verspüren, wenn wir uns plötzlich zu jemandem hingezogen fühlen.

Menschen mit diesem Fokus haben meist eine starke Ausstrahlung, sie werden angezogen von intensiven, aufregenden Begegnungen, sie halten immer nach einer Person oder Situation Ausschau, die ihnen zu ihrer Vervollkommnung fehlt; sie lieben das Risiko und sie haben die Kraft, nach Misserfolgen immer wieder aufzustehen.

Sozialinstinkt (Energie, die Verbindung schafft)

er Sozialtrieb veranlasste unsere Vorfahren, Verbündete zu suchen, um sich gegenseitig zu schützen und gemeinsam zu handeln. Diese Energie fokussiert auf die Bedürfnisse der anderen, erwächst organisch aus der Situation und orientiert sich an den jeweils herrschenden sozialen Gepflogenheiten. Der Fokus liegt auf der sozialen Umgebung und der eigenen Anpassung daran.
Solange wir gute soziale Beziehungen haben, sind wir uns des Sozialtriebes normalerweise nicht sehr bewusst. Verlieren wir aber eine uns wichtige Person, unseren Arbeitsplatz oder eine Freundschaft, macht sich der Sozialtrieb sehr schmerzhaft bemerkbar.

Menschen mit diesem Fokus sind sehr bestrebt, einen guten Eindruck zu machen, sie wollen gerne dazugehören und tun viel dafür; sie stellen sich gut auf andere ein und behalten immer das Wohl der Gruppe im Auge; sie vergleichen sich häufig mit anderen Gruppenmitgliedern und sie haben ein gutes Gespür für Dynamiken innerhalb der Gruppe.

Mehr darüber?

Wie sehr der jeweils dominante Instinkt jedes Typenmuster prägt, also eine ausführliche Beschreibung der 27 (9×3) Subtypen, finden Sie in dem ausgezeichneten Buch von Beatrice Chestnut, The Complete Enneagram. Wie sich die Instinkte in Ihrem persönlichen Alltag und in Ihren Beziehungen auswirken, dem gehen wir in unserem Seminar „Warum wir tun, was wir tun, und immer wieder nicht tun, was wir eigentlich tun wollen“ nach. Schreiben Sie mir bitte, wenn Sie daran Interesse haben!